Indirekte Wirkungen

Neben den direkten Wirkungen statischer und niederfrequenter elektrischer Felder (Statische Felder (0 Hz), Niederfrequenz (0,1 Hz–1 kHz)) können auch indirekte Wirkungen durch die erzeugten Oberflächenladungen bei elektrisch leitfähigen Objekten (z. B. Fahrzeuge, große Arbeitsmaschinen, Metallzäune) auftreten. Die elektrische Aufladung ist umso höher, je stärker das außen vorhandene elektrische Feld ist und je mehr das Objekt gegenüber der Erde isoliert ist. Eine Aufladung kann auch ohne äußeres elektrisches Feld durch statische Aufladung aufgrund von Reibung zwischen unterschiedlichen Materialien erfolgen (wie z.B. beim Ausziehen eines Pullovers oder beim Begehen von Fußbodenbelägen; im Arbeitsbereich an bewegten Teilen von Maschinen, Fahrzeugen oder Anlagen). Bei der Annäherung an aufgeladene Objekte (oder bei der Annäherung an geerdete Objekte, falls ein Mensch selbst aufgeladen ist – Beispiel: Anfassen einer Türklinke) kann es zu spürbaren elektrischen Entladungen (Funkenentladungen) kommen. Bei der Berührung aufgeladener Objekte kann ein Strom durch den Körper zur Erde abfließen (Berührungsstrom oder Ableitstrom, siehe Abbildung). Die Stärke dieser Wirkungen ist unter anderem abhängig von der elektrischen Feldstärke, der Anordnung des aufladbaren Objekts im Feld, der Größe des Objekts, der Stärke und Dauer des Kontaktstroms sowie der Erdung des menschlichen Körpers (und damit dem Ableitwiderstand zur Erde).

Im Alltag äußern sich die hervorgerufenen indirekten Wirkungen normalerweise nur als harmlose Wahrnehmung der statischen Aufladung oder der Funkenentladung. Vor allem im Arbeitsbereich kann aber bei hohen Feldstärken und/oder ausreichend großen aufgeladenen Objekten die Gefahr bestehen, dass Schwellenwerte überschritten werden, bei denen es zu dauerhaften gesundheitlichen Schäden durch unwillkürliche Muskelkontraktionen oder Verbrennungen kommen kann. Dies soll durch Arbeitsschutzregelungen und -maßnahmen verhindert werden (vgl. BMAS, S. 7 f. und 25 ff.; Grenzwerte in Deutschland (berufliche Exposition), Tabelle „Zulässige Kontaktströme und Berührungsspannungen“).

Indirekte Wirkungen durch Ableitströme können auch noch im Hochfrequenz-Bereich bis 110 MHz auftreten (vgl. Hochfrequenz (10 MHz–300 GHz) und Indirekte Wirkungen). Neben den biologischen Wirkungen sind auch Störungen elektronischer Geräte und Bauteile möglich.

Ableitstrom durch den Körper eines Menschen (rote Pfeile) bei Berührung eines elektrisch aufgeladenen Objekts, das sich in einem elektrischen Feld befindet.

Korona und die Entstehung von Luft-Ionen

Aufgeladene „ionisierte“ Luftmoleküle und Aerosole (d.h. mit den Luftmolekülen vermischte, winzige feste und flüssige Partikel) sind ein spezielles Thema bei der Diskussion um gesundheitliche Wirkungen von Hochspannungs-Freileitungen mit Wechselstrom und Gleichstrom. Die ionisierten Luftmoleküle (Korona-Ionen) entstehen bei normalem Betrieb in der sogenannten „Korona“, einem Bereich mit partiellem elektrischem Durchschlag in der Luft bei Feldstärken unterhalb der Lichtbogen- oder Funkenentladung, in einer Region von wenigen Zentimetern um die stromführenden Leiterseile herum. Die Wolken von elektrisch aufgeladenen Luftmolekülen (sogenannte Raumladungswolken) können mit dem Wind seitlich der Stromtrasse verdriftet werden. Der Effekt ist bei Gleichstrom-Leitungen (HGÜ) wesentlich stärker ausgeprägt als bei Wechselstrom-Leitungen, weil die ständige Ladungsumkehr beim Wechselstrom die ionisierten Moleküle (und auch die Aerosole) schneller neutralisiert. Dadurch kommt es nur bei Gleichstrom-Freileitungen zu nennenswerten Verdriftungseffekten. Durch die Bildung freier Radikale in der Luft können im Bereich der Korona zudem Luftschadstoffe (z.B. Ozon und Stickoxide) entstehen, die normalerweise rasch durch chemische Reaktionen oder Bindung an andere Luftinhaltsstoffe neutralisiert werden und dadurch keine große Reichweite haben.
Korona-Entladungen an Freileitungen können sich – verstärkt bei feuchtem Wetter – auch durch Brummtöne, Knacken oder Surren bemerkbar machen, was je nach Lautstärke im direkten Wohnumfeld zu Belästigungen oder Beeinträchtigungen führen kann.